Heft 62 (31. Jg. 2018) I: S. Freud, Das Ich und das Es (Entwurf 1922) II: Gerhart Scheunert

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Volker Friedrich
In eigener und fremder Sache. Erinnerungen und Gedanken zu Gerhart Scheunert (online)

Zusammenfassung: Der Autor geht von seiner persönlichen Begegnung mit Gerhart Scheunert während seiner psychoanalytischen Ausbildung im Hamburger Psychoanalytischen Institut der DPV in den 70er Jahren aus. Scheunert war sein dritter Kontrollanalytiker; beide entwickelten in dieser Arbeit ein Vertrauensverhältnis. Aus den Akten des Hamburger Institutes werden aus den wenigen vorhandenen Dokumenten Anmerkungen, Beschreibungen, Äußerungen von Scheunert und anderen entnommen, um Scheunerts Bedeutung im Institut in den 60 bis zum Anfang der 80er Jahre zu skizzieren. Der Autor ist später, als Scheunert sich in seinen Altersruhesitz in Bad Kissingen zurück gezogen hat, wieder mit ihm in einen konflikthaften Kontakt geraten im Rahmen der für die DPV und die westdeutsche Nachkriegs-Psychoanalyse so bedeutenden Ausstellung und Katalog zur Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland zum 34. IPAC 1985 in Hamburg. Es ging in dem Konflikt, der die Mitgliedschaft der DPV heftig bewegt hat, um die vom Vorsitzenden ausgesprochene Zensur, in Ausstellung und Katalog die Tatsache der Zugehörigkeit von Gerhart Scheunert zur NSDAP nicht aufzuführen. Der Autor beschäftigt sich mit der Auseinandersetzung um diese Zensur, zeichnet diese an Hand von Dokumenten nach, er diskutiert Scheunerts Handlungspolitik, seine Stellungnahmen und die ihm mögliche Bearbeitung dieses von ihm beanspruchten jugendlichen Gesinnungsirrtums. Der Autor skizziert kurz ein Projekt, das ihm in dieser heftigen Auseinandersetzung um die Zensur 46 Volker Friedrich sichtbar geworden ist: die Existenz eines unbewussten Nazi-Introjekts, das der Auseinandersetzung zu Grunde lag. Das nach wie vor wirksame Nazi-Introjekt sollte anerkannt werden als eine die gemeinsame psychoanalytische Arbeit beeinträchtigende Kraft.

Summary: On my own behalf and on that of others. Memories and thoughts about Gerhart Scheunert. This manuscript is based on the author’s personal relationship with Gerhart Scheunert during his psychoanalytic training at the DPV’s Hamburg Psychoanalytic Institute in the 1970- ies. Scheunert was his third control analyst; both developed a trustful relationship during this time. In order to outline Scheunert’s significance in the institute in the 1960s and early 1980s, notes, descriptions and statements by Scheunert and others have been taken from the few existing document files of the Hamburg Institute. Later on as Scheunert had retreated into his retirement home in Bad Kissingen, the author reestablished a conflicting contact in the context of the important DPV and West German post-war psychoanalysis exhibition and the catalogue on the history of psychoanalysis in Germany on the occasion of the 34th IPAC 1985 in Hamburg. The conflict, which moved the DPV membership intensely, dealt with the censorship pronounced by the chairman, to suppress the affiliation of Gerhart Scheunert to the NSDAP in the exhibition and the catalogue. The author concentrates on the dispute of this censorship, retraces it on the basis of documents, discusses Scheunert’s policy of action, his positions and his potential handling of this juvenile delusion as claimed by Scheunert himself. The author briefly outlines a project that became apparent to him in this fierce debate about the censorship: the existence of an unconscious Nazi introject underlying the argument. The still active Nazi introject should be recognized as a force interfering with the joint psychoanalytic work.