Heft 71 (36. Jg. 2023): Briefwechsel Sigmund Freud – Ernst Simmel 1918–1939

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Michael Rohrwasser
Die Begegnung zwischen Rachel Berdach und Sigmund Freud (S. 160-170)

Zusammenfassung: Die 1878 in Budapest geborene jüdische Rachel Berdach trat im vergangenen Jahrhundert mit einigen ungarischen Gedichten in die Öffentlichkeit. Später ließ sie ihren Namen ändern in R. B. Bardi und begann auf Deutsch zu schreiben. In Berlin hatte sie Kontakt mit Karl Abraham und ihrem Analytiker Theodor Reik, der später von der Entstehung ihres Romans »Der Kaiser / die Weisen und der Tod« erzählt. Der Roman über Friedrich II. in Sizilien ist nicht wirklich ein historischer Roman, wie das Vigel im Titel deutlich macht. Er erscheint 1938, in den Tagen des Einmarschs der Nazis in Österreich, was sein sofortiges Verschwinden und seine Nichtrezeption erklärt. Die Autorin emigriert nach London und sendet Freud eines ihrer Exemplare. Freud zeigt sich tief beeindruckt von dem Roman und schreibt ihr einen berührenden Brief. Er lädt sie zum Besuch ein, in dessen Verlauf er ein Nachwort für die geplante englische Ausgabe entwirft. Besonders berührt ihn, dass in den Gesprächen der mittelalterlichen Weisen die Psychoanalyse lebendig scheint. Die Autorin reist weiter in die Schweiz, ihr Roman scheint vergessen, bis er im letzten Jahr im Berliner Arsenal-Verlag neu aufgelegt wurde.

Summary: The Meeting of Rachel Berdach and Sigmund Freud. Born in Budapest in 1878, Jewish Rachel Berdach came to public attention in the last century with some Hungarian poems. Later she had her name changed to R. B. Bardi and began to write in German. In Berlin she had contact with Karl Abraham and her analyst Theodor Reik, who later told about the creation of her novel »The Emperor / the Wise Men and Death«. The novel about Frederick II in Sicily is not really a historical novel, as Vigel makes clear in the title. It appears in 1938, in the days of the Nazi invasion of Austria, which explains its immediate disappearance and non-reception. The author emigrates to London and sends Freud one of her copies. Freud is deeply impressed by the novel and writes her a touching letter. He invites her to visit, during which he drafts an afterword for the planned English edition. He is particularly touched by the fact that psychoanalysis seems to be alive in the conversations of the medieval sages. The author travels on to Switzerland, and her novel seems to have been forgotten until it was reissued last year by the Berlin Arsenal publishing house.