Von den großen Problemen ist noch nichts entschieden. Alles wogt und dämmert, eine intellektuelle Hölle, eine Schicht hinter der anderen; im dunkelsten Kern die Umrisse von LUZIFER-AMOR sichtbar.
Sigmund Freud an Wilhelm Fließ, 10. Juli 1900

Karl Fallend
1924ff. – Der Kampf um die Laienanalyse (S. 50-63)

Zusammenfassung: Um die Mitte der 1920er-Jahre, mit der Hiobsbotschaft von Freuds Krebsdiagnose, war eine Endzeitstimmung in der Psychoanalytischen Vereinigung virulent, die sich besonders in der Machtfrage um die Laienanalyse konzentrierte. In keiner Angelegenheit musste Freud einen derartig massiven Widerspruch aus den eigenen Reihen hinnehmen. Um den Kongress in Salzburg 1924 und die Jahre danach war Freud besonderen Angriffen ausgesetzt, gegen die er sich vehement zur Wehr setzte: u. a. der Ausschluss der Sozialarbeiterin Caroline Newton aus der New Yorker Vereinigung, die Ermordung der Kinderanalytikerin Hermine Hug-Hellmuth durch ihren Neffen und die Anklage gegen den Laienanalytiker Theodor Reik wegen des Kurpfuschereigesetzes. Im Zentrum meiner Ausführungen steht der Laienanalytiker August Aichhorn, der noch viele Jahre nach 1945 die Geschicke der Psychoanalyse in Österreich prägte und dessen Lehren bis heute von Bedeutung sind.

Summary: 1924ff – The struggle for lay analysis. Around the mid-1920s, with the bad news of Freud‘s cancer diagnosis, an apocalyptic mood was virulent in the Psychoanalytic Association, which was particularly concentrated in the question of power over lay analysis. In no other matter did Freud have to put up with such massive opposition from within his own ranks. Around the Salzburg Congress in 1924 and in the years that followed, Freud was subjected to particular attacks, against which he vehemently defended himself: among other things, the expulsion of the social worker Caroline Newton from the New York Association, the murder of the child analyst Hermine Hug-Hellmuth by her nephew and the accusation of the lay analyst Theodor Reik because of the Kurpfuscherei Act. At the center of my remarks is the lay analyst August Aichhorn, who shaped the fate of psychoanalysis in Austria for many years after 1945 and whose teachings are still important today.