Heft 64 (32. Jg. 2019): Ein Wiederbeginn nach Holocaust, Krieg und Freuds Tod: Der Internationale Psychoanalytische Kongress in Zürich 1949

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Susanne Kitlitschko
Querelles allemandes? Zur Kontroverse zwischen Carl Müller-Braunschweig und Harald Schultz-Hencke (S. 52–69)

Zusammenfassung: Vor dem Hintergrund des Antrags der 1945 wiedergegründeten DPG auf Aufnahme in die IPV kommt es auf dem Zürcher Kongress zu einem Eklat unter den deutschen Referenten Carl Müller-Braunschweig und Harald Schultz-Hencke. Der Antrag wird vertagt, die Auseinandersetzungen um dieses Ergebnis führen in der DPG zur Spaltung und Gründung der DPV 1950, die prompt Zweiggesellschaft der IPV wird. Die Autorin vertritt die These, dass die als Zürcher Kontroverse bekannt gewordenen Ereignisse die im Nationalsozialismus etablierten Kräfteverhältnisse zur Darstellung bringen, die sich seit 1945 kaum verändert hatten. Mit zwei Porträtskizzen wird umrissen, wie sich die Stellung Müller-Braunschweigs und Schultz-Henckes unter dem Einfluss des Nationalsozialismus entwickelt hat. Anhand der Situation der Berliner Nachkriegspsychoanalyse wird die Kontinuität dieses Kräfteverhältnisses akzentuiert. Im Lichte dieser Vorgeschichte werden die beiden Vorträge abschließend untersucht.

Summary: Querelles allemandes? On the controversy between Carl Müller-Braunschweig and Harald Schultz-Hencke. Against the background of the application by the DPG, which was re-founded in 1945, for admission to the IPA, there is a sensation at the Zurich Congress among the German speakers Carl Müller-Braunschweig and Harald Schultz-Hencke. The motion is adjourned; the disputes over this result lead to the split and foundation of the DPV in 1950, which promptly becomes a subsidiary of the IPA. The author argues that the events that have become known as the Zurich Controversy represent the balance of power established under National Socialism, which had hardly changed since 1945. Two portrait sketches outline how the position of Müller-Braunschweig and Schultz-Hencke developed under the influence of National Socialism. The continuity of this balance of power is accentuated on the basis of the situation of post-war Berlin psychoanalysis. In the light of this history, the two lectures will be examined in conclusion.